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Tanz um das Auto

Die Kampagne gegen die Ökosteuer: Rot-Grün hat die besseren Argumente

In den ersten anderthalb Jahren der rot-grünen Regierung ist keine andere Aufgabe so unter die Räder geraten wie der Umweltschutz. Zwar mühen sich Sozialdemokraten und Grüne jetzt um ein geordnetes Ende bei der Nutzung von Atomenergie - von einem "Ausstieg" zu reden wäre angesichts langer Restlaufzeiten übertrieben. Dafür wird kräftig am Ausstieg aus dem einzigen rot-grünen Ökovorhaben gearbeitet, das tatsächlich Zukunfts- und Verantwortungsbewusstsein erkennen lässt: die Ökosteuer.

Seit ein Liter Sprit mehr als zwei Mark kostet, bläst der Stammtisch zum Angriff auf die Regierung. Mit seiner Ökosteuer, wettert die Allianz von Bild und Co., treibe Bundeskanzler Gerhard Schröder das Volk ins Elend und die Wirtschaft ins Verderben: Rentner und Pendler nagten am Hungertuch, Tausende Arbeitsplätze in Autofabriken und Reparaturwerkstätten seien in Gefahr, der Konjunktur drohe eine Delle, mindestens. So weit das Horrorgemälde der Oppostition.

Während selbst Sprecher der Automobilindustrie zur Besonnenheit raten, schreien CDU/CSU und FDP: Weg mit der Ökosteuer!

Ihre Verdummungskampagne kommen Lücken im kollektiven Gedächtnis der Deutschen zugute. Denn obwohl die unionsgeführten Regierungen einst die Autofahrer mit wiederholten Erhöhungen der Mineralölsteuer viel stärker belastet haben, als es jetzt Rot-Grün tut, ist das Ansehen der Sozialdemokraten bereits schwer lädiert.

Und nun stehen die Ferien an. Auftanken an der Autobahn ist wieder teuer als im vergangen Jahr. "Benzinwut" wird also die Urlaubsfreude dämpfen. Die Nervostität im Regierungslager, bester Boden für unausgegorene Ideen, will deshalb nicht weichen. Längst wird lauter über Benzingutscheine für Arme nachgedacht und über eine höhere Kilometerpauschale für Pendler. Und der Kanzler - schweigt zu alledem. Schröder gehört nicht zu den Anhängern der Ökosteuer, hat sie bisher eher toleriert.

Als die Koalition das Vorhaben im Herbst 1998 auf den Weg brachte, sprach er ein "Machtwort" und verbreitete es über Bild: Sechs Pfennig mehr Spritsteuer sei "das Ende der Fahnenstange". Heute tönt es aus Bild zurück. "Hallo Kanzler, Autofahrer laufen weg." Wiederwahl gefährdet, glauben deshalb zwei Drittel der Bundesbürger. Peinlich, geradezu ärgerlich für einen Regierungschef, der sich selbst zum Autokanzler ernannt hat.

Dennoch täten Schröder und die Seinen gut daran, sich gegen die Krankheit des Populismus zu immunisieren. Und mit guten Argumenten in die Offensive zu gehen. Zunächst mit Aufklärung darüber, was den Benzinpreis über die magische Grenze von zwei Mark getrieben hat. Es war nicht die Ökosteuer, die bisher mit gerade einmal 12 Pfennig zu Buche schlägt. Wäre seit dem 1. April 1999, als diese Ökopfennige erstmals eingetrieben wurden, auf dem Benzinmarkt sonst nichst passiert, kostete ein Liter Eurosuper heute rund 1,75 Mark - und die Stammtisch wären um ein Thema ärmer. Der Schub nach oben kam, weil die in Dollar abgerechneten Rohölpreise sich seitdem verdoppelt haben, während der Euro rund 30 Prozent seines Wertes verlor. Beides kann sich rasch auch wieder ändern. Die Steuerpolitik vom Auf und Ab auf den Rohstoff- und Devisenmärkten abhängig zu machen wäre eine finanzpolitischer Offenbarungseid.

Ebenso grotesk ist, dass die Gegner der Ökosteuer urplötzlich ihr soziales Herz für die vermeintlich ausgebeuteten Autofahrer entdecken. Ein Vierpersonenhaushalt mit einem Arbeiter- oder Angestelltengehalt gab 1998 monatlich nicht mehr als drei Prozent seines verfügbaren Einkommens für Kraftstoff aus. Die mittlerweile gestiegenen Benzinpreise schlagen auf sein Budget mit rund 0,5 Prozentpunkten durch. Solch eine kleine zusätzliche Last ist alles andere als eine soziale Härte.

Sie ist erst rech kein Grund, sich von der Ökosteuer flugs wieder zu verabschieden. Warum haben sich denn nicht nur die jetzt Regierenden, sondern alle Besonnenen in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft seit Jahren dafür stark gemacht, mit möglichst wenig staatlichem Zwang den Verbrauch von Kohle, Gas und Öl, also auch Benzin, zu drosseln?

Weil Kohlendioxid (CO2) eines der Abfallprodukte dieser fossilen Energien, die Erdatmospähre aufheizt und große Teile des Planeten unwirtlicher macht. Weil deshalb der wachsenden Weltbevölkerung mehr Orkane, mehr Überschwemmungen, mehr Dürren, mehr Krankheiten drohen. Und weil Ströme von Umweltflüchtlingen aus dem Süden die vermutlich glimpflich davonkommenden Wohlstandsbürger im Norden heimsuchen werden. Deshalb hat doch die CDU in ihr Grundsatzprogramm von 1994 geschrieben, wovon sie heute nichts mehr wissen will: dass "die Preise unserer Mobilität die Kosten der Umweltbelastung widerspiegeln müssen"-.

Benzin wird teurer, egal wer in Berlin regiert

Mittlerweile beklagt UN-Generalsekretär Kofi Annan, dass über die globalen ökologischen Herausforderungen nicht einmal mehr debattiert werde. Die wüsten Attacken auf die hiesige Ökosteuer sind Beleg für diese Verdrängungsleistung.

Dabei wächst - nicht nur in Deutschland - immer noch der CO2-Ausstoß des Straßenverkehrs. Auch weltweit schleudert die wachsende Autoflotte immer größere Mengen des Klimagiftes in die Atmospähre; rund ein Fünftel davon quillt mittlerweile aus mobilen Abgasrohren.

All die modernen vierrädrigen Spaßmobile, Geländewagen und PS-Kraftprotze (Anmerkung von Bernd Noetscher: es wird immer mit Schnelligkeit und PS geworben, aber nicht mit dem niedrigem/hohem Benzinverbrauch, so entsteht auch kein Bewußtsein) rund die Hälfte aller neu zugelassenen Autos fährt mittlerweile schneller als 180 Stundenkilometer, bei entsprechendem Benzindurst - sind im Grunde reichlich unmodern. Sie haben keine Zukunft, hierzulande ebenso wenig wie auf den Exportmärkten. Die Autohersteller wissen das. Die meisten Autofahrer vermutlich auch. Aber der Markt und die inflationsbereinigt sinkenden Benzinpreise haben sie trotzdem zum Gasgeben ermuntert. Erst die Ökosteuer mit ihren jährlich um sechs Pfennig steigenden Sätzen singalisiert jetzt jedem unmissverständlich, wohin die Reise gehen muss: zu sparsamem Autos und umweltbewusstem Mobilitätsvverhalten.

Sechs Pfennig allein sind zwar nich viel. Aber die langfristige Kalkulierbarkeit der Ökosteuer wird nicht ohne Wirkung bleiben. Hätte das bereits die Regierung Kohl erkannt, wäre die Autonation Deutschland heute ein wenig besser für die Zukunft gerüstet. Zugegeben, die Ökosteuer hat ihre Fehler, namentlich ihre von Ausnahmen für die Industrie durchlöcherte zweite Komponente: die Abgabe auf Strom. Auch lässt sich darüber streiten, ob es der Weisheit letzter Schluss ist, die Einnahmen zu verwenden, um die Beiträge zur Rentenversicherung zu senken. Das Umsteigen vom Auto in Busse und Bahnen fiele leichter, wenn die Steuereinnahmen dazu genutzt würden, diese umweltverträglicheren Verkehrsmittel attraktiver und billiger zu machen. Für eine Familie mit Kindern ist die Bahnfahrt schließlich immer noch viel teurer als die Fahrt mit dem eigenen Auto, trotz der gestiegenen Benzinpreise.

Reformbedarf in Sachen Ökosteuer lässt sich mithin nicht leugnen. Nur wäre es die einfältigste aller Reformen, sie wieder abzuschaffen.

Denn mit oder ohne Ökosteuer: Langfristig wird Benzin teurer - allein schon deswegen, weil die Ölquellen der Industrieländer in absehbarer Zeit versiegen werden. Die verbleibenden Reserven aber lagern im Boden weniger Staaten des Nahen Ostens, die dann dauerhaft höhere Preise durchsetzen können. Auf der sicheren Seite ist deshalb, wer frühzeitig sparsame Autos entwickelt und fährt. Und wer nach neuen Kraftstoffen und Antriebssystemen Ausschau hält. Die Ökosteuer bietet den Anreiz dafür. Sie abzuschaffen wäre ein Festival des Selbstbetrugs.

von Fritz Vorholz

DIE ZEIT

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